Kurzbiografie


Simeon Pressel wurde am 15.06.1905 geboren und verstarb am 14.10.1980. Seine ersten Erfahrungen mit Massage machte er im Alter von 17 Jahren während einer Kur. Er erlebte sie als sehr heilsam und griff diese Methode sofort zu Hause auf, indem er seinen Vater massierte. Seitdem wird das Massieren ihn lebenslang begleiten, vertieft sich in Krisenzeiten und erfährt Wandlungen durch immer wieder neue Erkenntnisse. 

 

Nach seinem Abitur studierte er Medizin und eröffnete mit 25 Jahren in Bayreuth eine eigene Praxis. Zusammen mit seiner ersten Frau, die auch Ärztin war, hatte er zwei Kinder, wobei das zweite, ein Mädchen, durch einen Impfschaden schwer behindert war.

 

Auf der Suche nach einem umfassen-deren ganzheitlichen Medizin- und Menschenbild kam er zur Anthroposophie, die dann lebenslang den geistigen Hintergrund für sein ärztliches Handeln und auch für die Weiterentwicklung seiner Massagetätigkeit bildete. 1939 wurde er als Soldat eingezogen und kam 1945 in russische Gefangenschaft. Seine Familie kam im gleichen Jahr durch den einzigen Luftwaffenangriff auf Bayreuth ums Leben.

 

In russischer Gefangenschaft erlebte er die unsägliche Not seiner Mitgefangenen, denen jegliche Perspektive und jeglicher Lebensmut verloren gingen, die körperlich ausgezehrt und sehr krank waren. Die schwere Arbeit und die großen Entbehrungen bewirkten bei vielen ein schnelles Dahinsiechen, wenn sie sich nicht, was häufig genug geschah, das Leben nahmen. Andere verfielen in lethargische Zustände. In dieser Notlage, anfänglich ohne die Möglichkeit, Heilmittel verabreichen zu können, aber mit zur Anwendung gebrachten Heileurythmieübungen, massierte er als Lagerarzt seine Mitgefangenen. Bald konnte er erleben, wie diese zu Kräften kamen, wieder auffällig neuen Lebensmut schöpften und sich insgesamt sehr erholten und wieder aus dem Lazarett zu der schweren Arbeit zurückgeschickt wurden. Simeon Pressel bildete sechs seiner Mitgefangenen zu Helfern heran, indem er ihnen sein Verständnis des Massierens nahe brachte. Auf diese Weise konnte er mit Unterstützung vielen Menschen das Leben retten, was u.a. auch in Jahre später erfolgten Dankesbriefen ehemaliger Mitgefangener zu lesen war.

 

Diese Notsituation lässt deutlich erkennen, dass er durch die Arbeit mit seinen Händen einerseits Gesundungsprozesse einleitete, andererseits für die Menschen erlebbar die Mutkräfte im Menscheninnern wieder erwecken konnte. Es war auffällig, dass die so Entkräfteten und Entmutigten wieder wacher wurden, präsenter und bereit waren, dieses Schicksal ohne Daseinssicherung auf sich zu nehmen. Unterstützt wurde dieser Prozess sicherlich auch dadurch, dass Simeon Pressel im Lager in kleinem Kreis eine anthroposophische Arbeit aufgebaut hatte, sich von einem russischen Offizier eine Geige organisieren konnte und mit anderen zusammen Musik machen konnte. So hatte er bei aller Entbehrung und in aller Bescheidenheit aufgrund seines tiefen und kraftvollen Heilerwillens ein kreatives und auch geistiges Leben für sich und seine Mitgefangenen ermöglicht. 

 

„In dir muss brennen, was du in anderen anzünden willst.“ 

Augustinus 

 

Später hat er die Massage immer wieder auch erweitert, wie es sich ihm aus seiner Erkenntnis aufgrund der Geisteswissenschaft, insbesondere durch die Medizinervorträge ergab. Seine Erfahrungen führten dazu, dass ihm die Massage auch immer mehr über ihre therapeutische Anwendungsmöglichkeit hinaus als grundlegendes diagnostisches Kriterium diente. So entwickelte er die Wadenmassage, weil er als Schularzt in den Nachkriegsjahren vielen Jugendlichen in der Stuttgarter Waldorfschule begegnete, die sich nicht genügend ins Leben stellen und keine Zukunftskräfte entwickeln konnten. 

Auch hat er auf Anregung seiner späteren Frau Elisabeth Pressel einzelne Massagegriffe aus der von ihr erlernten Rhythmischen Massage – jedoch in einer der Strömungsmassage entsprechenden Qualität – mit hinein genommen. Aber ein wesentlicher Impuls kann aus der Zeit der russischen Gefangenschaft verstanden werden, wo es darum ging, den Lebenswillen der Menschen wieder zu entfachen, den Lebensmut wieder zu erwecken, ohne die jeglicher Heilversuch langfristig scheitern muss.